Tiktok ist gerade die App bei Jugendlichen: schnell, bunt, lustig. Aber diesmal kommt der Spaß nicht aus dem Silicon Valley, sondern aus einem totalitären Staat. Von Lea Deuber und Valentin Dornis
Der Vertrag ist noch gar nicht unterschrieben, da fliegt im Vorzimmer schon der Korken aus der Champagnerflasche. Alle hier sind sich einig, dass es heute etwas zu feiern gibt. Auf sieben Seiten Vertrag regeln die Plattenfirma Universal Music und der 24-jährige Falco Punch, wie er zu seinem ersten Hit kommt. Sein Outfit zu diesem Anlass ist betont lässig: Die Knie schauen aus den zerschlissenen Jeans hervor, Ringelsocken stecken in weißen Sneakern, die Kette passt zur goldenen Uhr. Im Aufzug hatte er noch mal tief durchgeatmet, als es hoch ging ins Machtzentrum der deutschen Musikbranche. An den Wänden hängen goldene Schallplatten von The Prodigy und Rammstein, in den Ecken weitere Auszeichnungen. Vor lauter Erfolgen wird der Platz knapp, auch in Zeiten von sinkenden CD-Verkäufen und Musikstreaming. Falco Punch, der öffentlich nur unter seinem Künstlernamen auftritt, bringt nicht viel Erfahrung als Musiker mit. Er spielt ein bisschen Klavier, legt manchmal bei Geburtstagen von Freunden auf. Aber Musik ist in der Musikindustrie längst nicht mehr das Wichtigste. Falco Punch besitzt etwas viel Kostbareres, er hat mehr als 7,4 Millionen Follower auf der Kurzvideo-Plattform Tiktok. Kaum eine App wurde im vergangenen Jahr häufiger heruntergeladen, keine Plattform ist so schnell gewachsen. In Deutschland sollen es schon bis zu vier Millionen Nutzer sein, die meisten sind zwischen 13 und 25 Jahre alt. Nach Facebook, Snapchat und Instagram ist jetzt Tiktok dran, eine ganze Generation junger Menschen zu prägen. Nur eines ist dieses Mal anders: Tiktok kommt nicht aus dem Silicon Valley, sondern aus China.
Zum ersten Mal in der Geschichte des Internets vernetzt eine Firma aus einem totalitären Staat die freie Welt. Zu Hause zensiert das Milliardenunternehmen Bytedance, das hinter der App steht, auf Befehl Pekings Inhalte. Außerhalb Chinas wirbt es damit, einen kreativen Raum zu schaffen für "ein authentisches, unterhaltsames und positives Erlebnis".
Schaut euch an, was in China passiert, sagt eine bei Tiktok. Kurz danach ist ihr Account gesperrt
Gerade noch füllte ein Video seiner Freundin den ganzen Bildschirm aus, da zerbröselt es plötzlich als Papierfoto zwischen den Fingern. Ein kurzes Zucken, und Falco Punch trägt ein anderes Oberteil als noch Sekunden zuvor: Er hat sich auf Transition-Videos spezialisiert. In den Filmchen spielt er mit optischen Täuschungen und überraschenden Übergängen. Dabei redet er selten. Die Videos haben ohnehin oft mehr Schnitte als Sekunden. Bei Tiktok ist nie etwas zu lang, das ist perfekt für die "Generation tl; dr" - "too long; didn't read". Teenager sind es gewohnt, Inhalte schnell und beiläufig zu konsumieren. Die Videos bei Tiktok dauern zwischen 15 und 60 Sekunden. Das reicht, um den Hund als Cowboy zu verkleiden, einen kurzen Tanz aufzuführen oder die eigene Mutter nass zu spritzen. Die Videos landen in einem nie endenden Strom von Clips aus der ganzen Welt, dem "Für dich"-Feed, sortiert von einem Algorithmus. Es gibt keine Gruppen wie bei Facebook, keine privaten Chats wie bei Whatsapp. In 15 Sekunden kann jeder auf der Tiktok-Bühne zum Star werden. Falco Punch nimmt die Aufmerksamkeit auf dieser Bühne mit, solange es geht. "Ich bin noch jung und probiere das jetzt aus. Es kann morgen schon ganz anders aussehen." Als Kind stand er bereits vor der Kamera, drehte Videos mit Freunden und für Musiker im Dorf, in dem er aufwuchs. Zum Geburtstag wünschte er sich eine neue Kamera oder ein Schnittprogramm für den Computer. Das hat sich inzwischen geändert. Mehr als sein iPhone braucht Falco Punch nicht. Smartphone-Kamera und die Schnittfunktion der Tiktok-App reichen meist - und sein Gesicht: "Das ist irgendwie zur Marke geworden." Obwohl er der gefragteste Tiktok-Star Deutschlands ist und damit mehr verdient als manch einer in seinem Bürojob, macht er seit dem Sommer noch eine Ausbildung zum Mediengestalter. Im Moment wohnt er mit seiner Familie auf dem Dorf in der Nähe von Hamburg. Das elterliche Wohnzimmer, beige gestrichen und mit philosophischem Wandtattoo, dient oft als Kulisse für die Videos. Was macht er mit dem Geld aus Werbepartnerschaften und dem Plattenvertrag? "Ich würde mir gerne irgendwann mal ein eigenes Haus kaufen." Im Gespräch lächelt er viel und gestikuliert wenig. Vor der Kamera ist es andersrum: Kaum läuft die Aufnahme, schweben seine Hände bedeutungsvoll durchs Bild wie bei einem Rummelplatzmagier. Den Kopf neigt er meist leicht nach unten und kneift die Augen gerade so weit zusammen, dass der Blick aus seinen blauen Augen noch stechender wird. Dazu das richtige Licht, das sein kantiges Kinn und die vollen Lippen betont: Er beherrscht das Spiel mit den Oberflächlichkeiten.
Manchmal ist die Tiktok-Welt aber auch nur Fassade. Es ist der 24. November, als die damals 17-jährige Amerikanerin Feroza Aziz in ihrem Kinderzimmer auf Aufnahme klickt. "Hey guys", sagt sie und beginnt mit einem Schminktutorial, wie es sie zu Tausenden auf Tiktok gibt. "Also, ihr nehmt dafür als Erstes eure Wimpernzange, und dann formt ihr eure Wimpern, das sollte ja klar sein", sagt sie und kneift dabei die Zange zu. "Und dann legt ihr sie beiseite und nehmt euer Handy, das ihr gerade benutzt, und schaut nach, was in China passiert, wie sie Konzentrationslager bauen, in die sie unschuldige Muslime werfen, Familien auseinanderreißen, sie kidnappen, ermorden, vergewaltigen." Mehr als eineinhalb Millionen Mal wird das Video geklickt. Dann wird ihr Account gesperrt, das Video verschwindet später für 50 Minuten von der Plattform, um dann wieder aufzutauchen. Ein menschlicher Fehler, sagt Tiktok später. In der Unterhaltungsindustrie hat sich in den vergangenen Jahrzehnten etwas verändert: Lange wurde hingenommen, dass die hellen Scheinwerfer des Showbusiness bisweilen auch dunkle Schatten werfen. Doch im Social-Media-Zeitalter ist die Reichweite messbar in Followern und Klicks. Mit diesen Zahlen wuchs auch der Ruf nach Verantwortung. Muss sich also rechtfertigen, wer Tiktok trotz aller Kritik nutzt? Muss jemand, nur weil ihm Millionen Menschen folgen, seinen Einfluss auch politisch nutzen? Oder reicht es, wenn er all diese Menschen in 15 Sekunden zum Lachen oder Staunen bringt?
Auch Facebook sammelt Daten und zensiert. Aber es gibt einen großen Unterschied zu Tiktok
Falco Punch braucht nicht lange, um zu überlegen. "Die Leute sollen einfach eine gute Zeit mit meinen Videos haben", sagt er. "Ich versuche, niemanden mit meiner politischen Meinung zu beeinflussen." Beim Thema chinesischer Einfluss und mögliche Zensur bei Tiktok antwortet er sehr zurückhaltend. Kein schlechtes Wort über die App. Er weiß, dass er als unpolitische Influencer-Figur am besten funktioniert. Das Geschäftsmodell sieht keine Ecken und Kanten vor. Auch dass er vor ein paar Monaten seinen alten VW Lupo gegen einen Seat-Jahreswagen getauscht hat, erzählt er nur sehr ungern. Wer weiß, ob gerade eine andere Automarke eine Kooperationsanfrage für ihn vorbereitet. Deutschlands größter Tiktok-Influencer hat die Werbebotschaft der deutschen Tiktok-Abteilung also gut verinnerlicht. Es geht nur um Spaß und Kreativität, um eine heile, positive Welt, die mit all den politischen Irrungen und Wirrungen da draußen auf gar keinen Fall etwas zu tun haben soll. Und wenn es doch passiert, dann ist das ein bedauerlicher Fehler. Wie vor einigen Monaten, als Journalisten von der Internetplattform Netzpolitik.org interne Moderationsregeln von Tiktok veröffentlichten. Demnach schränkte die Plattform bis mindestens September die Sichtbarkeit von Videos ein, die Menschen mit Behinderungen zeigten. Auch queere Menschen sollen markiert und ausgebremst worden sein. Die Videos wurden zwar nicht gelöscht, aber weniger Nutzern angezeigt. Sie verschwanden aus dem Sichtfeld der Masse, angeblich zum Schutz vor hämischen Kommentaren. Die deutsche Abteilung von Tiktok bestritt all das vehement, gab aber zu, mit einem "restriktiven Ansatz" bei der Moderation von Inhalten einen Fehler gemacht zu haben. Chinesische Firmen sind per Gesetz unter gewissen Umständen im Ausland gezwungen, die staatlichen Behörden zu unterstützen, wenn es um die nationale Sicherheit geht. Im September veröffentlichte der britische Guardian Dokumente, die belegten, dass Tiktok zu Beginn auch "revolutionäre" Inhalte unterdrückte. Betroffen waren zum Beispiel Videos zur Unabhängigkeit Tibets, zum Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens und zur in China verbotenen Bewegung Falun Gong. Das Milliardenunternehmen Bytedance, dem Tiktok mehrheitlich gehört, ist im Ausland fast völlig unbekannt. Dabei spielt es längst in einer Liga mit Giganten wie Google, Apple und Facebook. Analysten schätzen den Wert des chinesischen Start-ups auf mehr als 75 Milliarden Dollar. Gründer ist der 36-jährige Zhang Yiming, heute einer der reichsten Menschen im Land. Nach dem Erfolg einer Nachrichten-App startete er 2016 Tiktok, gut zwei Jahre später verschmolz er die App mit Musical.ly, das ein ähnliches Konzept hatte. Die Zentrale von Zhangs Firmen-Imperium liegt im Nordwesten Pekings. Von außen erinnert das Gebäude eher an eine Fabrik als an das größte Start-up der Welt. In der Eingangshalle stehen Modelle von Kampfflugzeugen der chinesischen Volksbefreiungsarmee. Das ganze Viertel soll für Bytedance umgebaut werden, eine eigene Bytedance-Welt. Zutritt bekommt man zu ihr aber nicht. Monatelang werden Interviewanfragen abgelehnt. In Deutschland gibt man sich offen, gerne lädt eine Sprecherin zum Kaffee ins Büro ein. Sie hat ein Sortiment bunter Infobroschüren dabei, in denen Eltern erklärt wird, wie Tiktok funktioniert, und Influencer erzählen, was sie an der Plattform so lieben. Zum Beispiel die tollen Sicherheitseinstellungen. Bei einem Thema aber wird es schnell ernst: Bezeichnet man Tiktok als chinesische App, kommt sofort Widerrede. Tiktok sei ein völlig eigenständiges Unternehmen, sagt die Sprecherin. Ihre E-Mails kommen allerdings von einer Adresse mit der Endung @bytedance.com. Das habe nichts zu bedeuten, heißt es. Wenige Wochen später enden die Mailadressen mit @tiktok.com. Anscheinend weiß man bei Tiktok, wie toxisch der eigene, chinesische Hintergrund sein kann. Doch in den Mails stecken technische Hinweise, dass es immer noch Verbindungen zu Bytedance gibt. Nach mehrfachem Nachfragen heißt es: "TikTok nutzt einige wenige Basis-Infrastrukturen, die von Bytedance gestellt werden." Dazu gehöre auch eine E-Mail-Infrastruktur. Der Grund: Tiktok wachse schnell, deshalb baue es "derzeit lokal seine Teams und Infrastrukturen auf". Im Januar räumt Tiktok-Chef Alex Zhu dann auch in Europa Fehler ein. Neue Regeln für die Nutzer sollen her. Das Europateam werde vergrößert, Videos sollen nicht mehr von Moderatoren in China überprüft werden. Noch so eine Sache, die erst hinterher herauskam. Zuvor hatte es lange geheißen, dass keine Daten nach China fließen. Gespeichert würden die Benutzerdaten ohnehin in den USA und Singapur, heißt es. Man könnte vieles, was an Tiktok kritisiert wird, auch den großen US-Netzwerken vorwerfen: die Datensammelei, das Eindringen in die Privatsphäre, das Geschäft mit der Aufmerksamkeit der Nutzer. Doch in der Wahrnehmung gibt es einen entscheidenden Unterschied. Facebook zensiert nackte Frauenbrüste auf Fotos, weil in den USA ein prüder Konsens herrscht. Dafür lässt es abseitige Meinungsäußerungen und Beiträge oft unangetastet. In China dagegen herrscht eine Partei, die die Zensur als Machtinstrument gegen die Meinungsfreiheit einsetzt - ob durch Sicherheitsbehörden oder durch Unternehmen wie Bytedance, die den Anweisungen folgen müssen. Das Misstrauen gegenüber China sitzt tiefer. In Australien dürfen Soldaten Tiktok nicht mehr auf Diensthandys nutzen, ähnliches gilt für Teile des US-Militärs. Die dortige Regierung prüft derzeit, was genau mit den Nutzerdaten passiert und ob die App als Spionagewerkzeug für die chinesische Regierung dienen könnte. Auch wegen dieses laufenden Verfahrens gibt es offenbar Pläne von Bytedance, Tiktok auch formal vom Mutterkonzern zu trennen.
Wer drin ist, kommt kaum raus. Es ist ein ständiger Strom von Inhalten, Reizen, Belohnungen
Dass die App zum politischen Werkzeug wird, das deutschen Teenagern die Gehirne wäscht, scheint trotzdem noch weit hergeholt. Doch auch ein paar Nummern kleiner reichen die Möglichkeiten, um Politikern und Eltern Sorgen zu machen. Die Frage, was an der Kurzvideo-App so fasziniert, löst in einer Münchner Mittelschule fast eine Rauferei aus, so dringend wollen die Siebtklässler erzählen. Eigentlich hätten sie gerade Politikunterricht, aber jetzt geht es statt um "Regeln und Gesetze" um etwas, das sie wirklich bewegt: Tiktok. Sie dürfen sich die Namen aussuchen, mit denen sie in der Zeitung stehen wollen. "Ich gucke auf Tiktok vor allem witzige Videos und lerne Tänze", sagt die 13-jährige Melissa. "Man kann sich gut in die Leute reinversetzen, weil die auch jung sind." Schaut sie auf der Plattform auch politische Videos? Nachrichten? Immerhin hat auch die Tagesschau einen Account auf Tiktok, trotz aller Kritik - als Experiment, um junge Menschen überhaupt noch zu erreichen. "Eher nicht", sagt Melissa, "Tiktok ist eigentlich für Spaß da."
Mit Spaß lässt sich eben besser Geld verdienen. Die App ist absolut auf Profit ausgerichtet: Sie sammelt intensiv persönliche Daten der Nutzer, wie eine Analyse der SZ im Dezember zeigte, um sie für Werbung vermarktbar zu machen. Firmen können verschiedene Werbepakete buchen, zum Beispiel Hashtag-Challenges und Videos, die dann besonders prominent und häufig angezeigt werden. Tiktok ist dabei so gebaut, dass die Nutzer möglichst lange in der App bleiben. Durch die kurzen Videos müssen sie alle paar Sekunden wieder aktiv werden, weiter scrollen in einem nie endenden Strom von Inhalten, Reizen, ständigen Belohnungen. Ein Content-Trichter, an dessen steilen Wänden der Nutzer immer weiter hinunterrutscht und doch nie unten aufschlägt. Zum Halten kommt er erst, wenn er das Smartphone weglegt.
"Das ist mir schon oft passiert", sagt Kylo. Der 13-Jährige schätzt, dass er jeden Tag ein paar Stunden mit der App verbringt. Das Trichterphänomen kennt er gut: "Ich sollte einmal um 22 Uhr ins Bett, weil am nächsten Tag Schule war. Ich wollte nur noch ein paar Videos gucken, und plötzlich war es Mitternacht." Scheiße sei das gewesen, sagt er, weil er am nächsten Tag im Unterricht die Augen kaum aufgekriegt habe. "Aber ich konnte nichts machen, manchmal guckt man einfach ein Video nach dem anderen." In den Einstellungen können Eltern die Nutzungszeit zwar einschränken, aber es gibt zwei Probleme: Erstens sind die Zeiträume vorgegeben, der kürzeste beträgt schon 40 Minuten. Und zweitens müssen die Eltern sich auskennen. "Wenn mein Vater irgendwas an meinem Handy kontrollieren will, lösche ich vorher Nachrichten oder mache mir einfach einen zweiten Account", sagt Kylo.
Fast auf der ganzen Welt kann man diese App benutzen - nur in China ist sie gesperrt
Die Kinder wissen nicht nur genau, wie sie die Kontrolle durch ihre Eltern umgehen, sondern auch, wer in der Schule wie viele Follower hat: "In der Neunten hat ein Mädchen mehr als 10 000", sagt Melissa. Sie lädt auch regelmäßig Videos auf ihrem Account hoch, die gucken allerdings nur ein paar Hundert Leute an. In den Filmchen tanzt sie zu Liedern. Meist sind es Lieder, die auch große Influencerinnen in ihren Tanzvideos verwenden, Trap-Beats mit durchdringenden Bässen und einfachen Melodien. Tiktok hat Verträge mit den großen Musiklabels, die Sekundenausschnitte der Lieder zur Verfügung stellen. Wird ein Lied auf Tiktok zum Trend, ist das ein gutes Geschäft. Der "Old Town Road Remix" von Lil Nas X und Billy Ray Cyrus war so ein Lied. Bei Universal Music glauben sie, Tiktok werde in Zukunft entscheidend sein, um mit Musik junge Menschen zu erreichen. Deshalb sitzt Falco Punch an diesem kalten Wintertag in der deutschen Universal-Zentrale, um seinen Vertrag zu unterzeichnen. Er ist mit seinem Manager da, Andre "Brix" Buchmann. Der 48-Jährige war jahrelang als Musikproduzent erfolgreich, produzierte unter anderem das Lied "Satellite", mit dem Lena Meyer-Landrut 2010 den Eurovision Song Contest gewann. Meyer-Landrut ist mittlerweile nicht mehr nur Musikerin, sondern auch Instagram-Influencerin mit 3,2 Millionen Followern. Tiktok bringt also die Musik- und die Influencer-Industrie zusammen. Im Büro der Plattenfirma diskutieren sie über verschiedene Lieder, die für die erste Single von Falco Punch infrage kommen. Es geht um mögliche Features, um Reichweiten und Zielgruppen, und darum, wie die Musik klingen muss, damit sich darauf gute Tiktok-Videos schneiden lassen. "Der Beat muss perfekt passen", sagt Falco Punch. Ein Produkt wird da entworfen, designed für den globalen Erfolg. Wobei, das stimmt nicht ganz. Tiktok ist nicht überall auf der Welt nutzbar - ausgerechnet in China ist es gesperrt. Nutzer können die App nicht mal auf ihre Geräte laden. Wer nach Tiktok sucht, bekommt die chinesische Schwester Douyin angezeigt. Beide haben fast dasselbe Logo. Doch bei Douyin filtern sie noch strenger. Da wird wirklich alles aussortiert, was der Partei nicht passt. Anfangs ließen sich zum Beispiel noch Schnipsel aus der Region Xinjiang finden, in denen Uiguren über ihre Unterdrückung berichteten. Inzwischen sind uigurische Nutzernamen verboten. Videos, in denen die Turksprache der Minderheit gesprochen wird, verschwinden. Populär sind nun Videos wie mit dem Hashtag "Der Charme der Menschen in Xinjiang". In denen nur "die schönen Menschen mit ihren tollen Trachten und, natürlich, mit ihrem breitesten Lächeln" zu sehen sind, schreibt die Staatspresse. Die Videos von Falco Punch sind bei Douyin bisher nicht zu finden. Das soll sich ändern, schließlich warten dort potenziell Millionen Fans. Dafür braucht er allerdings eine chinesische Handynummer. "Da arbeiten wir gerade dran", sagt Falco Punch. Immerhin muss man zur Verifizierung in China eigentlich sein Gesicht scannen lassen, wenn man eine eigene Nummer haben möchte. Die deutsche Tiktok-Abteilung unterstütze ihn bei den Plänen. Das bestreitet die Sprecherin: Tiktok unterstütze weder Creatoren noch Unternehmen dabei, Konten auf Douyin zu erstellen. Schließlich sei es ein eigenständiges Unternehmen. Wenn aber solche Anfragen kämen, leite man sie an die Kollegen bei Bytedance weiter. Das natürlich schon.