»Ich habe Papa schon oft gesagt ...

»Ich habe Papa schon oft ­gesagt, dass ich sein Handy nicht mag«

»Warte schnell«, »Gleich«, »Ich bin beschäftigt«: Wie viel Zeit Erwachsene jeden Tag mit ihren Smartphones verbringen, merkt man besonders, wenn man ihre Kinder fragt.

SZ Magazin 44/2019 Heft vom 30. Oktober 2019

Leopold, 8 Jahre

»Eben wollte ich mit Papa Fußball spielen, aber er hat nur auf sein Handy geschaut und der Ball ist an ihm vorbeige­flogen. Vorhin hat er sein Handy weggelegt und viel besser gespielt. Ich hab meinem Papa sehr oft gesagt, dass ich sein Handy nicht mag, aber er hat dann nicht geantwortet, weil er noch schnell etwas erledigen musste auf dem Handy. Ich sage ihm jetzt nicht mehr, dass er sein Handy nicht benutzen soll, das bringt nichts. Wenn ich etwas von ihm will, frage ich fünfmal nach – aber wenn er dann immer noch auf sein Handy schaut, sage ich nichts mehr, dann kommt er eh nicht. Wenn wir zu Hause sind, ist es mir ja egal, wie oft er sein Handy nimmt, aber hier im Park sollte er es nicht benutzen, wenn ich das entscheiden dürfte. Nur im Urlaub soll er sein Handy mitnehmen, sonst verfährt er sich.«

Theresa, 12 Jahre

»Einmal wollte ich mit meiner Mama reden, als sie gerade Nachrichten auf ihrem Handy beantwortet hat: Ich hab ihr etwas Lustiges erzählt, sie hat dann auch gelacht. Da hab ich mich gefreut, weil ich dachte, Mama mag meine Geschichte – dabei hat sie über eine Nachricht auf ihrem Handy gelacht und mir gar nicht zugehört. Früher hat man in der Zeit, in der man heute aufs Handy guckt, miteinander gespielt. Ich glaube, dass es Spieleabende bald nicht mehr geben wird, das ist schade. Beim Fernsehen redet man wenigstens noch und lacht zusammen. Wenn jeder aufs Handy guckt, ist es still im Raum.«

Carla, 10 Jahre

»Mamas neuer Freund macht echt viel am Handy. Ich glaube, weil er mit Apps arbeitet. Drei Stunden am Tag benutzt er es bestimmt, selbst im Wasser. Als wir im Sommer in Griechenland waren, hat er sein Handy mit in den Pool genommen, um Selfies zu machen. Dabei will ich nicht immer fotografiert werden! Früher, als kleines Kind, habe ich mich hinter meinen Armen versteckt. Heute ist mein Trick ein Zitronengesicht. Dafür verziehe ich mein Gesicht so, dass Fotos extra doof aussehen. Erwachsene haben nicht immer einen guten Grund, das Handy zu benutzen. Ich habe beobachtet, dass sie Katzenvideos schauen oder auf Instagram sind. Das nervt mich, wenn ich kuscheln will. Oder wenn ich ihnen etwas zeigen will, wie neulich den Getränke-Roboter, den ich aus Pappschachteln gebastelt habe.«

Philipp, 8 Jahre

»Mein Papa benutzt sein Handy ungefähr hundertmal am Tag. Manchmal antwortet er nicht und starrt aufs Handy, dabei hab ich laut genug gesprochen. Ich hab mal gesagt: ›Ich schmeiße dein Handy aus dem Fenster!‹ Das würde ich nicht tun, aber er hat es dann gleich in die Hosentasche getan. Ich glaube, er merkt gar nicht, wie oft er auf sein Handy schaut. Könnte ich entscheiden, dürften Eltern dreimal am Tag aufs Handy schauen: morgens, mittags und abends, je eine Minute. Am Wochenende aber nur einmal.«

Inga, 10 Jahre

»Bei mir ist mal ein Schmetterling auf dem Kopf gelandet – aber Papa und Mama haben nur auf ihre Handys geschaut, obwohl ich gerufen habe. Und dann ist er weggeflogen. Mein Papa ist zu oft am Handy, so fünf Stunden am Tag, glaube ich. Ich hab früher gedacht, dass sie ihr Handy lieber haben als mich, aber dann haben sie mir gesagt, dass das gar nicht stimmt. Aber manchmal glaub ich es doch. Das letzte Mal, als Papa sein Handy den ganzen Tag nicht benutzt hat, war im Urlaub, als er das Aufladegerät nicht gefunden hat. Ich mag meinen Papa immer, aber ohne Handy mag ich ihn viel mehr. ­Einen Trick habe ich für andere Kinder, die traurig sind, weil ihre Eltern immer am Handy sind: Du musst ­gucken, was der Papa oder die Mama am liebsten machen, und das dann mit ihnen machen. Ich hab meinen Papa gebeten, dass er mir Skateboardfahren beibringt, das fand er toll und hat es sofort gemacht. Manchmal, wenn ich etwas aus ­der Schule erzählen will, mache ich die Geschichte etwas spektakulärer, damit Mama und Papa nicht aufs Handy schauen, sondern zuhören. Bei mir in der Klasse ist mal einer eingeschlafen, dann habe ich dazuerfunden, dass er zwölf Minuten geschlafen hat, dabei ist er gleich aufgewacht.«

Frederik, 13 Jahre

»Mein Vater arbeitet im internationalen Vertrieb. Da rufen ihn ständig Geschäftskol­legen an. Auch ganz früh oder spät. Oder wenn wir als Familie gemeinsam essen oder Tennis spielen. Da reißt uns dann jemand aus dem Spiel raus, den ich überhaupt nicht kenne. Das ärgert mich. Ich kann mich nicht erinnern, dass meine Eltern das Handy mal 24 Stunden nicht benutzt haben. Selbst im Frankreich-Urlaub hat mein Vater das Handy mit zum Canyoning genommen.«

Josefine, 9 Jahre

»Mein Vater behauptet, er würde gar nicht so viel auf sein Handy schauen, dabei macht er das ständig! Wenn ich ihn frage, Papa, was schaust du, sagt er immer: ›Ich lese gerade Nachrichten.‹ Aber ganz oft, wenn ich ihm über die Schulter schaue, spielt er so ein Spiel mit bunten Steinen. Er sagt dann immer: ›Ja, ich weiß, blödes Spiel, ich lösche es, versprochen.‹ Aber am nächsten Tag sitzt er wieder da und spielt. Dann sage ich: Papa, schon wieder! Das ist ihm peinlich. Mein Papa lässt jetzt sein Handy immer im Schlafzimmer liegen, er meint, dann schaut er nicht so viel drauf. Aber das ist Quatsch. Der spielt sein doofes Spiel halt im Schlafzimmer, oder?«

Jakob, 6 Jahre

»Ich kann ja alleine spielen, aber wenn ich einen Teil von meiner Playmobil-Marsmis­sion nicht bauen kann, frage ich Papa. ­Er sagt dann: ›Warte schnell‹, und macht ­weiter. Das nervt. Meiner Oma ist das Handy auch sehr wichtig. Als wir aus dem Urlaub heimgefahren sind, ist ihr Handy im Auto zwischen die Sitze gefallen. Sie hat sich gleich losgegurtet und wie wild gesucht. Ist ihr das Handy so wichtig, dass sie nicht bis zur Raststätte warten kann?«

Max, 8 Jahre

»Ich wollte meinem Papa ein Kunstwerk zeigen, ich hatte einen Löwen gemalt, aber er hat nicht geschaut. Wenn er sein Handy benutzt, ist es so, als wenn er sich seine Ohren zuhält. An Weihnachten benutzt er das Handy nicht – nein, doch, da fotografiert er mich mit den Geschenken. Wenn mein Papa kein Handy hätte, würde ich öfter mit ihm reden und ihm mehr Bilder zeigen, die ich gemalt habe. Man könnte doch die Dinge, die man am Handy macht, im Büro erledigen, oder?«

Martha, 7 Jahre

»Wenn ich mal eine Tochter habe, soll die mein Handy vor mir verstecken – und mir nur im Notfall sagen, wo es liegt. Ich finde das blöd, wenn die Eltern einem nicht zuhören, wenn sie am Handy sind, weil das vielleicht auch mal wichtige Sachen sind, die Kinder sagen. Die Mutter von meiner besten Freundin hat nur ein Klapphandy, die benutzt es viel weniger. Ich glaube, Erwachsene mögen Smartphones so gerne, weil sie erstens cool sein wollen und zweitens, um viele Fotos zu machen. Wenn etwas Besonderes passiert, macht meine Mutter immer gleich ein Foto. Auch am Strand. Eltern sollen nicht die ganze Zeit auf dem Handy rum­machen. Das Handy ist nicht ihr Kind. Wir müssen ein bisschen Zeit miteinander verbringen.«

Lilly, 7 Jahre

»Der Papa ist wirklich eine Handymaus. Er ist die ganze Zeit am Handy, aber ich sehe nicht, was er macht, er ist ja größer. Nur am Wochenende nutzt er es nicht so, weil wir da etwas unternehmen. Aber wenn man zu spät fragt: ›Spielst du mit mir?‹, dann schaut er schon wieder drauf. So schnell fallen mir gar nicht immer Spiele ein, und schwupp, hat er sein Handy in der Hand. Und dann ist es plötzlich Nacht, und er muss am nächsten Tag arbeiten. Einmal haben wir das Handy da versteckt, wo er nie suchen würde: in der Puppenkiste. Dann haben wir es ihm wiedergegeben, weil sein Gesicht so geguckt hat, als ob er gleich sauer wird. Papa schaltet das Handy nie aus. Meine Schwester hat jetzt ein Handy, die vergisst es immer anzuschalten, genau umgekehrt.«

Marc Baumann und  Meike Mai hatten die Idee zu diesem Artikel. Als sie hörten, dass besorgte Kinderpsychologen darüber forschen, wie sich der Handykonsum von Eltern auf deren Kinder auswirkt, stellten sie nachfolgende Protokolle zur Verfügung. Baumann und Mai hoffen auf baldige Veröffentlichung der Ergebnisse – die die beiden vermutlich auf dem Handy lesen werden

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